GlyNAC besteht aus zwei Molekülen. Der nicht-essentiellen Aminosäure L-Glycin und N-Acetyl-Cystein. Vielleicht kennst du NAC auch unter einem anderen Namen. Als ACC wird N-Acetyl-Cystein gerne als Schleimlöser bei Erkältungskrankheiten eingesetzt. Doch das ist bei weitem nicht alles, was dieses Molekül kann.
Verbindet man NAC mit Glycin, entsteht ein effektiver Wirkkomplex. Entwickelt von dem Team rund um den kalifornischen Biochemiker Dr. Bruce Ames, konnte GlyNAC nicht nur in Tierstudien, sondern auch bei Menschen den Alterungsprozess positiv beeinflussen. In diesem Artikel geben wir dir Einblick in die molekulare Wirkungsweise von GlyNAC und erklären dir, warum es für dich sinnvoll sein kann.
Aus zwei mach eins – die Wirkungsweise von GlyNAC
Wie schon erwähnt, besteht GlyNAC eigentlich aus zwei Molekülen. Glycin ist eine nicht essentielle Aminosäure – das bedeutet, unser Körper kann sie aus anderen Aminosäuren selbst herstellen. Glycin spielt eine wichtige Rolle im Gehirn, wo es als Neurotransmitter Nervenimpulse reguliert. Außerdem fördert das Molekül das Muskelwachstum und wirkt sich im Komplex mit Hyaluron positiv auf die Haut aus.
N-Acetyl-Cystein (NAC) ist ein Abkömmling der schwefelhaltigen Aminosäure Cystein. Entdeckt wurde das Molekül bereits 1899, obwohl es weder in unserem Körper noch in der Nahrung vorkommt. Neben seiner Rolle als Schleimlöser, ist der Stoff auch für seine starken, antioxidativen Eigenschaften bekannt. Außerdem ist NAC eine Vorstufe von Glutathion, dem wichtigsten antioxidativen Molekül im menschlichen Körper. Um diesen wichtigen Schritt genauer zu verstehen, müssen wir einmal tiefer in die Biochemie unseres Körpers eintauchen.
Glutathion besteht aus drei verschiedenen Aminosäuren: Cystein, Glycin und Glutamat. Nehmen wir nun NAC über die Nahrung zu uns, dann kann dieses über das Blut ins unsere Zellen gelangen. Dort angekommen, wird über einen Prozess namens Hydrolyse das Cystein freigesetzt. Somit haben wir den ersten Baustein für unser Glutathion. Im zweiten Schritt reagiert Cystein mit Glutamat, ehe im dritten und letzten Schritt noch das Glycin hinzugefügt wird. Schon haben wir ein neues Molekül Glutathion. Der große Vorteil von GlyNAC ist dabei, dass dir zwei der drei Bausteine für Glutathion zur Verfügung stehen.
Wusstest Du? NAC ist ein wichtiges “Gegengift” bei einer Überdosierung bzw. Intoxikation mit Paracetamol. Zu hohe Mengen des Schmerzmittels können die Leber schädigen. Der biochemische Mechanismus dahinter ist, dass die Eliminierung von Paracetamol so viel Glutathion in unserer Leber verbraucht, dass die Vorräte irgendwann erschöpft sind. Mit NAC als Vorstufe von Glutathion können diese Vorräte wieder aufgefüllt werden.
Glutathion – der Radikalfänger unserer Zellen
Glutathion findet man in fast allen Zellen unseres Körpers. Stell dir dieses Molekül als eine Art „Wächter“ und „Feuerwehr“ zusammen vor.
Durch die ganzen biochemischen Prozesse in unseren Zellen fallen freie Radikale an. Diese können, wenn zu viele davon vorhanden sind, zum Beispiel unsere DNA beschädigen. Glutathion neutralisiert diese Radikale mittels Elektronen. Weiterhin kann das Molekül andere Antioxidantien, wie Vitamin C und E wieder regenerieren.
Eine zweite große Aufgabe von Glutathion ist die Entgiftung. Gerade in der Leber, unserem Entgiftungsweltmeister, befinden sich hohe Konzentrationen dieses Moleküls. Mit Hilfe eines Enzyms, der Glutathion-S-Transferase, wird Glutathion im Bedarfsfall auf eine potenziell toxische Substanz geladen. Dadurch wird das neue Molekül wasserlöslicher und unser Körper kann es leichter über den Urin ausscheiden.
Glutathion ist, vereinfacht gesagt, einer unserer wichtigsten Helfer, damit unsere Zellen gesund bleiben.
Mitochondrien – die Krux mit den alternden Zellkraftwerken
Mitochondrien sind wahre Wunderwerke. Unsere Milliarden Kraftwerke versorgen uns täglich mit der Energie, die wir für das Leben benötigen. Allein in unseren Herzzellen machen Mitochondrien etwa ein Drittel des gesamten Volumens aus.
Bei Sportlern sind die Mitochondrien für die maximale Verwertung von Sauerstoff, der VO2 Max, verantwortlich. Die VO2 Max ist dabei nicht nur ein guter Indikator für Sportler, sondern auch für die allgemeine Fitness im Alter. Nicht umsonst sprechen sich Experten, wie Dr. Peter Attia für eine regelmäßige Messung aus.
Leider werden unsere Mitochondrien im Alter nicht nur zahlenmäßig weniger, sondern verlieren auch an Leistungsfähigkeit. Diese sogenannte mitochondriale Dysfunktion ist ein Kennzeichen des Alterns. In einigen Studien konnte bereits gezeigt werden, dass insbesondere Sport, eine gesunde Ernährung und regelmäßige Kältebäder die Mitochondrienfunktion verbessern.
Oft reicht Sport allein allerdings nicht aus. Hier kann GlyNAC eine echte Alternative sein. In einer randomisierten, doppelverblindeten Studie des Bayor College of Medicine konnte nämlich gezeigt werden, dass eine 16-wöchige, regelmäßige Einnahme von GlyNAC zu einer verbesserten Mitochondrienfunktion führte.
Wusstest Du? Eines der wichtigsten Moleküle im Energiestoffwechsel unserer Zellen ist NAD. Die Kurzform steht dabei für Nikotinamid Adenin Dinukleotid. Der NAD-Mangel und die mitochondriale Dysfunktion sind beides wichtige Forschungsgebiete in der Longevity-Szene.
Während die mitochondriale Dysfunktion sich mit GlyNAC und Sport unterstützen lässt, gibt es bei NAD zwei Ansätze. Entweder die Steigerung der Produktion durch Vitamin B3-Derivate oder die Abbauhemmung durch beispielsweise Apigenin oder Quercetin.
Weitere Vorteile von GlyNAC
In einer neuen, randomisierten, klinischen Studie von Prof Dr. Rajagopal Sekhar wurden weitere, positive Effekte durch die Einnahme von GlyNAC festgestellt. Die Studienteilnehmer machten weder mehr Sport, noch wechselten sie ihre Diät – lediglich die Einnahme von GlyNAC kam bei der einen Gruppe dazu, während die zweite Gruppe ein Placebo bekam.
Bei regelmäßiger Einnahme haben, insbesondere die älteren Versuchspersonen, davon profitiert. Ihr Blutdruck war niedriger, der Bauchumfang wurde geringer und ihre Insulinsensitivität verbesserte sich.
Daneben konnten die Studienautoren mehrere positive Effekte auf die verschiedenen Hallmarks of Aging feststellen. Weniger Entzündung, weniger seneszente Zellen und weniger genomische Instabilität liefern eine mögliche Erklärung für die lebensverlängernde Wirkung von GlyNAC.
Dies ist bedeutend, da es zwar vorher eine Reihe an Tierstudien gab, die den Effekt von GlyNAC bestätigt haben, aber dies ist zum ersten Mal eine Arbeit, wo die Wirksamkeit von GlyNAC beim Menschen eindrucksvoll nachgewiesen wurde.
Ob sich die lebensverlängernden Daten der Mäuse, die durch die Einnahme von GlyNAC teilweise 24% länger lebten, auch in Menschen reproduzieren lassen wird, muss sich in weiteren Studien zeigen. Dennoch ist diese Arbeit von Prof. Sekhar ein wichtiger, erster Schritt, da neben der theoretischen Wirkungsweise, auch der praktische Nutzen von GlyNAC für uns Menschen bestätigt wurde.
Warum sollte man nicht direkt Glutathion einnehmen?
Ein wichtiger Mechanismus von GlyNAC ist die Erhöhung des Glutathion-Spiegels im Körper. Bereits in Tierstudien konnte demonstriert werden, dass die Supplementierung mit GlyNAC zu einem nachweisbaren Anstieg von Glutathion in Leber-, Herz- und Nierenzellen führte. Nun stellt sich natürlich die Frage, warum der Umweg über GlyNAC? Warum kann man nicht direkt Glutathion nehmen?
Hier muss man berücksichtigen, dass jede Zelle unseres Körpers eine unterschiedliche Menge an Glutathion beinhaltet. Unser Körper reguliert die geforderte Menge von Glutathion für jede Zelle einzeln und das ist enorm wichtig. Zwar wissen wir, dass zu viel oxidativer Stress schädlich für unsere Zellen ist – zu wenig ist für uns aber auch nicht gut.
So benötigen unsere Immunzellen beispielsweise freie Radikale, um Krankheitserreger abzuwehren. Würden wir unserem Körper unkontrolliert Glutathion hinzufügen, würde dieses delikate Gleichgewicht aus der Balance gebracht werden. Anders verhält sich das mit GlyNAC.
Durch die Supplementierung der Vorstufen, kann unser Körper die geforderte Menge an Glutathion individuell regulieren. Benötigt eine Zelle also kein zusätzliches Glutathion, dann nimmt sie das NAC erst gar nicht auf und stellt kein zusätzliches Glutathion her.
Die Macht der drei – warum GlyNAC effektiver als seine Einzelbestandteile ist
Wie wir gesehen haben, ist es sinnvoller die Vorstufen von Glutathion zu uns zu nehmen. Damit geben wir unserem Körper die Bausteine und er kann selbst entscheiden, wo sie gebraucht werden. Der bekannte Tech-CEO Bryan Johnson setzt ebenfalls auf dieses Prinzip.
NAC allein wirkt sich zwar auch positiv auf die Glutathion Level aus, allerdings kann die Kombination mit Glycin weitere Vorteile mit sich bringen, wie Dr. Sekhar in seiner Studie erklärt. Zur Erklärung, warum GlyNAC besser funktioniert als NAC oder Glycin allein, stellt er die Theorie „Die Macht der drei“ auf:
Um diese Aussage zu verstehen, müssen wir noch einmal etwas tiefer in die Biochemie blicken. Dr. Sekhar argumentiert, dass durch die kombinierte Kraft von Cystein (durch NAC), Glycin und Glutathion die positiven Effekte auf die zelluläre Gesundheit zu erklären sind. Glutathion ist zwar das mächtigste Antioxidans – seine Wirkung reicht aber nicht aus, um alle Effekte von GlyNAC zu erklären.
In anderen Studien wurde die Supplementierung von NAC versus GlyNAC an Mäusen untersucht, wobei die Effekte bei GlyNAC signifikant größer waren. Glycin, als Bestandteil von Glutathion, stellt einen limitierenden Faktor in der Biosynthese dar. Durch die Kombination von NAC und Glycin, können wir unserem Körper beide Aminosäuren zuführen. Daneben ist Glycin ein wichtiger Methyl-Gruppen Spender und trägt somit zu einer funktionierenden DNA-Reparatur bei.
NAC, beziehungsweise die Aminosäure Cystein, enthält die schwefelhaltige Thiolgruppe. Diese wird vor allem in den Mitochondrien gebraucht. Die kombinierten Effekte von NAC, Glycin und Glutathion sind also wirkungsvoller als die einzelnen Moleküle. Wie der berühmte Philosoph Aristoteles (384-322 v.Chr.) schon sagte: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“
Wusstest Du? Glycin fungiert nicht nur als Vorstufe von Glutathion. Die Aminosäure ist ebenfalls, zusammen mit Hyaluron, an wichtigen Gesundheitsprozessen in der Haut beteiligt. Im Alter verlieren wir immer mehr Kollagen, das am häufigsten vorkommende Protein in unserer Haut. Glycin kann die Kollagensynthese fördern und zusammen mit Hyaluron deine Hautalterung verlangsamen. Den Komplex gibt’s auch bei uns im Shop!
GlyNAC und Diabetes mellitus Typ 2
Neben den spannenden Ergebnissen von Dr. Sekhar und seinem Team, konnte in einer weiteren Pilotstudie die Wirksamkeit von GlyNAC bei Patienten mit Diabetes mellitus bestätigt werden.
GlyNAC trug auch hier zu einer verbesserten Mitochondrienfunktion bei. Gerade bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, scheinen die Mitochondrien nicht mehr optimal zu arbeiten. Der genaue Mechanismus dahinter, ist noch nicht vollständig verstanden. Forscher gehen aber davon aus, dass Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 Fettsäuren nicht mehr optimal über die Mitochondrien verstoffwechseln können. Dadurch entstehen in ihrer Funktion eingeschränkte Mitochondrien, die mit den Komplikationen von Diabetes mellitus, assoziiert sind.
In dieser Studie konnte bei Menschen und Mäusen gezeigt werden, dass eine Supplementierung mit GlyNAC die Glutathion-Spiegel wieder anheben kann und dadurch die Mitochondrien wieder normal Fettsäuren verstoffwechseln konnten. Interessanterweise hörte dieser Effekt auf, sobald man die Zufuhr von GlyNAC stoppte, was zumindest erste Hinweise für eine Kausalität liefert.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass GlyNAC ein wirkungsvoller Ansatz sein kann, um deine Mitochondrien gesund und fit im Alter zu halten. In den nächsten Jahren werden sicherlich viele neue Longevity-Studien zu diesem vielversprechenden Molekül erscheinen. Die vorhandenen Daten suggerieren allerdings jetzt schon, dass GlyNAC ein wichtiger Baustein sein kann, um länger fit im Alter zu bleiben.
Literatur
- https://academic.oup.com/biomedgerontology/article/78/1/75/6668639
- https://www.mdpi.com/2076-3921/12/5/1042
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2696075/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5241507/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9406235/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19103434/
- https://www.nature.com/articles/npp201266
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29559876/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/14988435/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35268089/
Grafiken
Die Bilder wurden unter der Lizenz von Canva erworben.
Der Beitrag Was ist GlyNAC? (Glycin & N-Acetyl-Cystein) erschien zuerst auf MoleQlar Longevity.